Vom 28. August bis zum 8. September 2024 in Paris bei den Paralympics zu sein, war eine zutiefst bereichernde Erfahrung – voller faszinierender Momente, emotionaler Höhenflüge und wertvoller Lektionen. Diese Spiele sind nicht nur ein Symbol für die außergewöhnliche Widerstandskraft des menschlichen Geistes, sondern vor allem eine Hommage an die herausragende sportliche Leistung der Athletinnen und Athleten.
Die Paralympische Bewegung, die 1948 mit einer kleinen Gruppe von Kriegsveteranen des Zweiten Weltkriegs begann, hat sich zu einem globalen Fest der Stärke, des Durchhaltevermögens und des menschlichen Potenzials entwickelt. Als ich diese Athleten hautnah erlebte, wurde ich tief berührt von der enormen emotionalen Intensität in den Arenen – Stolz, Entschlossenheit und außergewöhnliche sportliche Leistungen.
Vor meiner Reise zu den Paralympics versuchte ich schon vorab in die Welt der Athleten einzutauchen. Ich habe Bücher über die Athleten gelesen und beeindruckende Dokumentationen geschaut (siehe „Verwandte Inhalte“ unten). Sie sind Vorbilder, die anderen Menschen Hoffnung und Inspiration geben. Doch während der Paralympics wurde lernte ich, dass es in dieser Diskussion noch so viel mehr zu entdecken gibt.
Eine Athletin, die mich besonders beeindruckt, ist Beatrice Vio, besser bekannt als Bebe Vio. Ihre Bronzemedaille im Rollstuhlfechten zu sehen, war schlichtweg atemberaubend. Das gesamte Grand Palais in Paris bebte vor Begeisterung, als sie triumphierte.
Bebe Vio (Italien) ist eine Meisterin im Rollstuhlfechten mit einer beeindruckenden Bilanz – sie hat bereits neun Goldmedaillen bei internationalen Wettbewerben wie den Paralympics und den Weltmeisterschaften gewonnen. In Zusammenarbeit mit Nike gründete sie die Bebe Vio Academy in Mailand und Rom, ein inklusives Programm zur Förderung paralympischer Sportarten. Vio bringt so ihre Vision, Sport für alle zugänglich zu machen, ins Leben.
2023 schloss sie ihr Studium in Kommunikation und Internationalen Beziehungen an der John Cabot University in Rom ab. Darüber hinaus arbeitet sie als Motivationsrednerin, Model und Fernsehmoderatorin und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Sie ist eine leidenschaftliche junge Frau, die entschlossen ihre Träume verfolgt – insbesondere den Traum von Inklusion und Chancengleichheit im Sport.
Auf den ersten Blick liest sich das wie die Geschichte einer außergewöhnlichen Athletin. Doch ihre Geschichte ist so nur halb erzählt. Im Alter von elf Jahren erkrankte Vio an Meningitis, und um ihr Leben zu retten, mussten ihr beide Beine unterhalb der Knie und beide Unterarme amputiert werden. Nach einer mehrmonatigen, intensiven Rehabilitation kehrte sie zu ihrer großen Leidenschaft, dem Fechten, zurück. Heute ist sie die einzige Athletin im Rollstuhlfechten, die ohne Hände, Unterarme und Beine antritt. Ihr Florett ist mit einer Prothese an ihrem linken Ellenbogen befestigt, eine Anpassung, die eigens für sie vorgenommen wurde und eine Regeländerung erforderte.
Diese Geschichte zeigt eine beispiellose Stärke, die weit über körperliche Fähigkeiten hinausgeht. Doch wir sollten nicht in „trotz ihrer Herausforderungen“ denken und Mitleid empfinden; vielmehr sollten wir die beeindruckende Athletin und die inspirierende Persönlichkeit sehen, die das Leben mit offenen Armen empfängt, leidenschaftlich liebt und die Menschen um sie herum begeistert.
© Foto/LIVE: BadmintonPhoto
Ein weiterer faszinierender Athlet ist Thomas Wandschneider aus Deutschland. Mit 60 Jahren hat er die erste Medaille im Badminton für Deutschland gewonnen! Mit seinem mitreißenden Spielstil und seiner herzlichen Art wurde Wandschneider schnell zum Publikumsliebling in Paris. Sein episches Viertelfinale gegen den 24-jährigen Chinesen Tong Yang – die Nummer zwei der Welt – war einfach unvergesslich.
Dieses Spiel, gegen einen Gegner, der 36 (!) Jahre jünger war, war das längste in der Geschichte der Paralympics und dauerte 103 Minuten. Wandschneider, der vier Kinder und zwei Enkelkinder hat, sagt oft, dass viele seiner Gegner jünger sind als seine eigenen Kinder.
Um diese unglaubliche Leistung zu erreichen, intensivierte er sein Training und verbrachte sogar Wochenenden in einem Wohnmobil nahe seiner Trainingshalle, um seine Übungszeit zu maximieren. Damit widerlegte er gleich zwei Vorurteile – sowohl über das Alter als auch über Behinderung.
Aber auch seine Geschichte hat ein weiteres Kapitel. Thomas Wandschneider wurde 2000 im Alter von 36 Jahren nach einem Autounfall querschnittsgelähmt. Ein Bekannter im Krankenhaus erzählte ihm von Rollstuhl Badminton und der Rest ist Geschichte.
© OIS/Hassan Wamwayi. Handout image supplied by OIS/IOC
Das sind nur zwei Geschichten von vielen.
Allzu oft sehen wir zuerst die Behinderung eines Menschen und nicht die Person, und unsere erste Reaktion ist oft Mitleid. Doch dies verfehlt den Kern ihrer Fähigkeiten und Leistungen der professionelle Athleten. Sie haben ihre Geschichten neu geschrieben – mit Fleiß, Disziplin und einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Sie trainieren hart, sind fokussiert auf ihre Leistung und kämpfen mit einem unerschütterlichen Willen. Wie Liz Johnson, paralympische Goldmedaillengewinnerin im Schwimmen, in der Times schrieb: „Wir sind paralympische Athleten, also nennt uns nicht Helden.“ Und Bebe Vio, mit 1,3 Millionen Followern auf Instagram, betonte einmal: „Ich nehme nicht an den Paralympics teil, ich gehe in einen Wettkampf.“
Ich könnte noch viel länger über die beeindruckenden Geschichten dieser Spiele schreiben… Die Paralympics sind ein Zeugnis für die unbezwingbare Willenskraft der Athleten.
Eine der wichtigsten Lektionen für mich ist, dass Inklusion damit beginnt, die Person zu sehen, die gerade vor einem steht – nicht ihre Geschichte oder die Behinderungen und Einschränkungen, die sie mit sich bringt. Diese Perspektive ist eigentlich für alle Menschen hilfreich – auch für uns selbst. Wenn wir uns auf unsere Fähigkeiten konzentrieren, das Gute in unserem Leben erkennen und dafür dankbar sind, bringen wir mehr Freude und Glück in unseren Alltag.
Die Paralympics erinnert uns alle daran, dass wir das Potenzial haben, über uns selbst hinauszuwachsen und unsere Wahrnehmungen von Behinderung und Stärke zu hinterfragen und neu zu definieren. Es hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen – welchen bei Ihnen?