Beginnen wir mit einer Reise in die goldenen Zwanziger Jahre, eine Zeit, in der Berlin zum schillernden Epizentrum des Fortschritts avancierte. In dieser brodelnden Metropole, die Avantgarde und Exzess wie keine zweite zelebrierte, war das KaDeWe ein magischer Ort für eine neue Gesellschaft, die nach dem Grauen des ersten Weltkriegs hungrig nach Leben und Luxus war. Hier, in diesem kulturellen Schmelztiegel, wo die Grenzen der Gesellschaft verschwommen, sondern regelrecht gesprengt wurden, stand das KaDeWe – nicht nur ein Kaufhaus, sondern ein Leuchtturm des Luxus und der Moderne. Es war der Ort, an dem die Zukunft bereits begonnen hatte, während der Rest der Welt noch in den Fesseln der Vergangenheit lag. Das KaDeWe war seiner Zeit weit voraus – ein Versprechen, dass in dieser Stadt alles möglich war.

Die erste Leuchtreklame des Berliner KaDeWe; heute im Jüdischen Museum Berlin zu finden.
Ein Schlüsselelement, das zweifellos zum globalen Ruhm des KaDeWe beigetragen hat, ist seine berühmte Feinschmeckerabteilung, gekrönt von der ikonischen Champagnerbar an der sich Promis und Berühmtheiten aus allen Zeiten trafen.
Man stelle sich vor, wie einst ein exzentrischer Berliner Adliger die Feinkostabteilung mit seinem Papagei besuchte. Dieser gefiederte Gefährte war ein wahrer Connaisseur, der sich an den feinsten Käsesorten erfreute und für großes Aufsehen unter den Besuchern sorgte. Mit einem kritischen Blick und frechen Kommentaren, pickte der Papagei sich die erlesensten Leckerbissen heraus – ein Stückchen Käse hier, eine Traube dort –, jedes Mal begleitet von einem zustimmenden Nicken seines Herrn und dem amüsierten Staunen der Umstehenden. Oder ein Besuch der Diva, Marlene Dietrich, in der Hutabteilung, um sich zwischen ihren Drehpausen in Berlin neu einzukleiden – dicht umgeben von Schaulustigen Berlinern, die einen Blick auf den Weltstar erhaschen wollten.
Seit seiner Gründung im Jahre 1907 hat dieses Warenhaus bewegte Zeiten überdauert unter anderem zwei Weltkriege, die Teilung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt. Im November 1989 sorgte das “Schaufenster des Westens” für den größten Besucheransturm der Unternehmensgeschichte. Am Tag nach dem Mauerfall 1989 wollten 200.000 Menschen an einem einzigen Tag hier einkaufen. Viele, um ihr Willkommensgeld für die westlichen Luxus-Produkte auszugeben. Jede dieser Epochen hat ihre Spuren hinterlassen und das Kaufhaus hat sich immer wieder neu erfunden.

KaDeWe in 1907
Die aktuelle Schieflage des KaDeWe mag für viele wie ein Schock wirken, doch wenn man die Geschichte des Hauses über die Zeiten verfolgt, erkennt, dass es immer wieder Herausforderungen gab und das KaDeWe diese stets als Gelegenheit zur Erneuerung genutzt hat.
In einer Ära, in der online-shopping immer mehr unseren Alltag dominiert, steht das KaDeWe immer noch als strahlendes Monument der physischen Erfahrung. Es erinnert uns daran, dass das sinnliche Erlebnis des „Flanierens“ durch opulente Hallen, das Betasten feinster Stoffe, das Kostproben exquisiter Delikatessen und das persönliche Gespräch nicht zu ersetzen sind. Es ist der Beweis, dass in einer Welt, die zunehmend virtuell wird, die Magie des Persönlichen und Greifbaren unersetzlich bleibt.
In den kommenden Monaten werden viele spekulieren, debattieren und philosophieren über die Zukunft des KaDeWe. Doch die Berliner hoffen, dass die Geschichte des KaDeWe noch lange nicht zu Ende ist und es sich wie ein Phönix aus der Asche erheben wird.
Wer Lust hat, dem Mythos von damals bis heute nachzuspüren, dem kann ich die neue Miniserie „Eldorado KaDeWe“ in der ARD Mediathek empfehlen, die einen Einblick in die bewegte Geschichte des Haues gibt und sie mit einer großen Freundschaft verknüpft, in der viele Erzählfäden zusammen kommen. Mein Fazit eine sehenswerte, mutige Inszenierung zum Thema.