2024 jährt sich der Geburtstag des bedeutendsten deutschen Romantikers zum 250. Mal. Museen in ganz Deutschland feiern Caspar David Friedrich mit wichtigen Ausstellungen und anlässlich dieses Jubiläums, ist eine neue Biographie erschienen.
Es herrschte schlechte Stimmung prunkvollen Thronsaal des Berliner Schlosses von Friedrich Wilhelm III. Der Hofstaat war zusammen gekommen um das neue Portrait des Monarchen zu bewundern, dass er vom dem berühmten Maler Caspar David Friedrich in Auftrag gegeben hatte. Der König war offensichtlich wütend. Was war passiert? Im Jahr 1816, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, erhielt Caspar David Friedrich den Auftrag, ein Bildnis des preußischen Königs Friedrich zu malen. Friedrich war wenig begeistert aber brauchte das Geld dringend. Es herrschte angespannte Stille als das Bild enthüllt wurde. König Friedrich Wilhelm III., ein Mann von preussischer Strenge und gebieterischer Ausstrahlung, musterte das Porträt mit missbilligendem Blick. Offensichtlich unzufrieden meinte der König, dass Bild würde seine königliche Erscheinung nicht einfangen, es sei zu düster, es habe keine Pracht, nichts Majestätisches. Friedrich, von Natur aus schüchtern, spürte, wie Zorn in ihm aufwallte. Jahrelang hatte er sich seinen Ruf als Meister der Landschaftsmalerei erarbeitet. Nun sollte er sich den Wünschen eines Monarchen beugen, dessen Verständnis von Kunst sich auf Prunk und Pomp beschränkte. „Majestät“, stieß Friedrich hervor, „ich bin ein Maler, kein Porträtist! Der König, empört und verblüfft über die freche Antwort, beendete die Sitzung abrupt. Das Bildnis wurde nie fertiggestellt.
Diese Anekdote wird beschrieben in dem neuen Biographie von Florian Illies (Zauber der Stille, Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten). Es zeigt ganz eindrücklich den Charakter des Künstlers. Genie, Visionär, Melancholiker und Eigenbrötler aber auch unangepasst und ausgestattet mit dem Willen, Mut und Entschlossenheit, seine künstlerische Freiheit zu verteidigen.
In 2024 feiert Deutschland nun den 250. Geburtstag einer seiner bedeutendsten Künstler. Den Auftakt zum Jubiläumsjahr bildete die Eröffnung einer großen Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle (Dezember 2023), die bereits jetzt einen Besucherrekord verzeichnet. Zwei weitere, umfangreiche Ausstellungen laden Kunstliebhaber in Berlin und Dresden ein, sein Werk noch tiefer zu erkunden. Ab Mai 2024 entführt die Alte Nationalgalerie Berlin in die Welt der romantischen Landschaftsmalerei. Im September 2024 rückt die Dresdner Ausstellung Friedrichs Spätwerk und seine enge Verbindung zur Stadt in den Fokus.
Dresden war von 1798 bis zu seinem Tod im Jahre 1840 Friedrichs Wahlheimat. Geboren 1774 in Greifswald, an der rauen Ostseeküste, war Friedrich zeitlebens von der Natur und dem Meer geprägt. Seine Landschaftsmalerei, meisterhaft in ihrer Komposition und tiefgründig in ihrer Symbolik, entführt uns in eine Welt der Einsamkeit, Sehnsucht und des unaufhörlichen Suchens nach dem Transzendenten.
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, 1808-1810, Öl auf Leinwand, 110 x 171,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Fotograf: Andres Kilger
Friedrichs Bilder sind jedoch mehr als nur Darstellungen der Natur. Sie sind Ausdruck seiner inneren Empfindungen, der Widersprüche seiner Zeit und der Suche nach dem Unendlichen. In seinen meisterhaft komponierten Landschaften, oft dominiert von imposanten Bergen, tiefgründigen Wäldern oder dem unendlichen Meer, spiegeln sich die Sehnsucht des Künstlers nach Harmonie und Erlösung wider. In seinen Gemälden verschmelzen Realität und Fantasie, Natur und Mystik, Diesseits und Jenseits.
Caspar David Friedrich, Mann und Frau in Betrachtung des Mondes, um 1824, Öl auf Leinwand, 34 x 44 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Fotograf: Jörg P. Anders
Caspar David Friedrichs Landschaftsmalerei fängt die Welt kurz vor dem Anbruch der Industrialisierung ein, eine Epoche die durch den massiven Einfluss des Menschen auf die Natur geprägt ist. In seinen Werken sehen wir eine noch heile Welt, die im Begriff ist, zu verschwinden. Friedrichs Werke sind somit Zeugnisse einer vergangenen Zeit, die uns heute einen Einblick in eine Welt ermöglichen, die unwiederbringlich verloren ist. Der Künstler selbst war sich der Bedrohung der Natur durch den Menschen bewusst. In seinen Briefen und Tagebüchern drückte er seine Sorge über die zunehmende Zerstörung aus. Friedrichs Landschaftsmalerei kann daher auch als eine Warnung verstanden werden. Sie zeigt uns, was wir verlieren könnten, wenn wir nicht sorgsam mit der Natur umgehen.
Caspar David Friedrich, Der einsame Baum, 1822, Öl auf Leinwand, 55 x 71 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Fotograf: Jörg P. Anders
Friedrich bleibt Zeit seines Lebens ein einsamer Wanderer. Die Liebe zur Natur konnte die Leere in seinem Herzen nicht füllen. In seinen letzten Jahren litt er an Depressionen und Krankheiten, die sein Schaffen beeinträchtigten. Am 7. Mai 1840 starb Caspar David Friedrich in Dresden.
Caspar David Friedrich geriet nach seinem Tod in komplette Vergessenheit, und zwar bis zur sogenannten Jahrhundertausstellung 1906 in der Nationalgalerie in Berlin, 66 Jahre nach seinem Tod. 93 Gemälde und Zeichnungen des Malers waren damals in Berlin zu sehen und markierten eine Renaissance des Künstlers. In diesem Kontext muss man allerdings auch erwähnen, dass nur wenige Jahre später, Caspar David Friedrich vom Nationalsozialismus ideologisch missbraucht wurde. Die Nationalsozialisten nutzten Friedrichs Werke, um die Liebe zur deutschen Heimat und die Sehnsucht nach einer vergangenen, „reineren“ Zeit zu beschwören. Sie machten sich Friedrichs Kunst für ihre rassistische und nationalistische Propaganda zu eigen und interpretierten Friedrichs Bilder im Sinne ihrer Ideologie und stilisierten ihn als einen „völkischen“ Künstler, der die deutsche Kultur und den „deutschen Geist“ verkörperte.
Erst dem Zweiten Weltkrieg wurde die nationalsozialistische Interpretation von Friedrichs Werk allmählich revidiert. Kunsthistoriker begannen, seine Bilder in einem neuen Licht zu sehen und die Komplexität seiner Kunst zu würdigen. Heute gilt Caspar David Friedrich als einer der bedeutendsten Künstler der Romantik.
In Ergänzung zu den großen Jubiläumsausstellungen bietet eine gerade erschienene Biographie eine hervorragende Gelegenheit den Künstler und seine Zeit neu zu entdecken. Der namhafte Sachbuchauthor und Kunsthistoriker Florian Illies (Generation Golf, 1913, Liebe zu Zeiten des Hasses) hat anlässlich des Jubiläums „Caspar David Friedrich: Zauber der Stille“ geschrieben. Hierin entfacht Illies ein wahres Feuerwerk der Geschichte, das Vergangenheit und Gegenwart auf magische Weise miteinander verbindet. Mit seinem meisterhaften Gespür für vergangene Epochen, wie er bereits in seinen Werken „1913“ und „Liebe in Zeiten des Hasses“ bewiesen hat, taucht er tief in die Welt des Malers Caspar David Friedrich ein. Illies versteht es meisterhaft, die Zelebration der Stille mit Einblicken in das Leben des Malers und die Entstehung seiner Werke zu verbinden. Mit stilsicherer Präzision zeichnet er das Bild eines Landschaftsmalers, der Naturstudien von kühnster Modernität schuf und der Kunsthistoriker bis heute vor neue Herausforderungen stellt.