Ach, wie er redet und erzählt! Wie lange stehe ich schon mit ihm hier auf diesem Fest? Und komme mit ihm vom Hundertsten ins Tausendste. Toller Humor! Und er fährt auch immer zum Lachsfischen! Und hasst diese verbissenen Spießerangler. Er fährt einen uralten Peugeot, schwört auf Altbauwohnungen und liebt die Doobie Brothers. Und schon stehe ich mit dem einen Zeh drin in einer möglichen neuen Freundschaft. Mein Ich reicht dem anderen Ich die Hand. Und wir haben den Wunsch, uns wiederzusehen – Sundowner und dabei unsere Angeln angucken – vielleicht kommen die Frauen auch mit, und wir essen dann noch etwas zusammen. So geht es los. So geht es immer los.
Danke, ein neuer Freund! Und danke allen Freunden, die jetzt da sind wie ein angereicherter Schatz nach all den Jahren. Und da sind für mich. Auf einen schauen. Mit einem durchs Leben gehen. Und einen besser kennen als man sich selbst. Sandkasten-Freunde, Schulfreunde, Studienzeiten-Freunde, Business-Freunde, Ex-Partner und jetzt Freunde-Freunde, Nachbarn-Freunde. Jede dieser Freundschaften, ganz gleich in welcher Intensität, hat ihren Wert. Freunde sind purer Reichtum.
In der Sandkiste oder auf dem Schulhof, später im Szene-Club oder im Golf-Club-Freundschaften passieren einem in jedem Alter. Ein Anruf am Sonntagnachmittag „Ich wollte nur mal fragen, wie es dir geht, wie es euch geht“ kann man nicht kaufen. Freunde kann man sich nicht kaufen. Schon die kleinsten Gesten sind unbezahlbar! Und gerade sie machen die ganze Größe des Schöpfungseinfalls Freundschaft aus. Im Café hat er extra den Tisch genommen, an dem dieser ohnehin schon nervige Kellner ausgerechnet nicht bedient. In einer Diskussion, in der ich zu laut und hitzig werde, tritt er mir still ans Bein.
Bei meiner Lieblingsband im Autoradio dreht er lauter. Die kleineren Dinge sind Sicherheitsversprechen für das große Ganze. Und die Fügung, dass man sich in seinem Leben überhaupt getroffen hat, kann man sich nicht erarbeiten. Ein Geschenk.
Gemeinsam durchs Leben gehen – eine Freundschaft kann alles aushalten. © Credit: 2020 is licensed under CC BY 4.0
Dass dieses Geschenk dann bleibt, braucht vieles. Manchmal auch Arbeit. Die weltweit schönste Arbeit. Denn Freundschaften sind Beziehungen und wollen, so wie Partnerschaften, gut gepflegt werden.
Werden sie gut gepflegt, spielt das Glück mit, die Gesundheit und der Lebensverlauf – bleibt man zusätzlich auch noch orthografisch einigermaßen in der Nähe – schafft man es als Freunde in eine Zeit, in der Freundschaften fast wieder so wichtig werden wie in der Jugend: die Zeit nach den Kindern. Dann, wenn die Kinder flügge sind und das Haus verlassen. Plötzlich ist das Feld für die Freundschaft wieder frei. So frei wie nie zuvor. Man vereint sich wie eine Band, die sich nach Jahren wieder zusammenschließt und wieder die Lebensbühne betritt. Klar, man hat auch durch die Jahre von Elternzeit und Karriere bemüht Kontakt miteinander gehalten, die Freundschaft genährt. Aber jetzt ist das Feld frei. Ein Feld, auf dem man noch so viel vorhat. Für sich. Als Paar. Und: mit den Freunden! Diese Total-Together-Again-Freundschaften haben ihre ganz besondere Kraft, weil man jetzt nicht nur die Jugend, sondern auch viele neue Themen als Gemeinsamkeit hat. Man schöpft aus den gleichen Erfahrungsschätzen. Und – das wichtigste – man mag sich immer noch so wie damals und durch all die Jahre. Fast noch ein bisschen mehr. Man weiß jetzt noch deutlicher, was man aneinander hat!
Und dann sind da die Frauenfreundschaften! Ein ganz besonderes Kapitel. Denn Frauen haben – trotz aller gewachsener Verantwortungsübernahme bei Männern in Sachen Kinder – mit eben jenen Kindern am Ende dann doch noch am meisten zu tun. Und treiben in den meisten Fällen durch ihren Mutteralltag aus ihren Freundschaften ab. Die beste Freundin sieht man selten, kaum oder auch gar nicht, weil die Zeit zu knapp und die Erschöpfung oft einfach zu groß ist. Da den Draht warmzuhalten, die Mutterlücken zu nutzen und sich einfach mal schnell zu treffen, der Freundschaft geschickt und mit der festen Überzeugung, wie wichtig sie ist, irgendwie weiter Sauerstoff zu geben, ist eine Kunst. Die belohnt wird: Sind die Kinder dann alle aus dem Haus, wird der Freundschafts-Volumen-Knopf wieder bis zum Anschlag hochgedreht.
Dabei können Frauenfreundschaften dann eine Tiefe entwickeln, die sie fast schon zu Schwestern macht. Frauen reden über mehr als Männer. Sie reden intimer, offener und grenzenloser. Was es manchmal natürlich auch nicht ganz leicht macht, weil diese Nähe auch die Verletzlichkeit erhöht. Eine Frau hat wenige, aber dann eben fast nur echte beste Freundinnen. Ein Mann hat neben besten Freunden auch viele Kumpels.
Kommt dann alles in einer Freundesclique zusammen und geht man mit dieser Clique in eine neue Zeit – nach den Kindern, nach dem Beruf, nach dem Family -Alltag und jetzt eventuell in einer kleineren Wohnung in der Stadt – öffnet sich ein Paradies. Das eine echte Kraftquelle sein kann, das inspiriert und anspornt. Zu Dingen, die man als Einzelpaar oder Einzelperson gar nicht angepeilt hätte. Und vor allem: Man teilt wie schon als 16-Jähriger seine Befindlichkeiten. Der Goldkern einer reifen Freundschaft. Und ein Jungbrunnen.
Freundschaften halten wach. Machen dein Ohr offen. Geben dir Geborgenheit und Sicherheit. Freunde können komische Gefühle zu sich und dem Leben in Gute verwandeln. Freunde können einen drehen. Von mäßig gelaunt auf fröhlich. Von unsicher auf entschlossen. Und das Beste von allem: Freund zu sein! Gebraucht zu werden, zu geben, zu helfen und zu unterstützen und natürlich ganz viel Blödsinn und Spaß zu produzieren.
Lebensgeschenk Freunde. Sie haben und noch weitere dazugewinnen. Und dann alle liebevoll, aber entschlossen, festhalten!
In diesem wunderbaren Leben.